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„Alle lachten über ihn, dann bekamen sie DAS zu sehen”
An Risikofreude und Selbstbewusstsein jedenfalls mangelte es dem Quereinsteiger nicht. In einem Interview für ein Branchenmagazin der Unternehmensberatung McKinsey scheute er sich nicht, das Gespräch mit den Worten „Ich bin der beste Verkäufer westlich von Wladiwostok” zu eröffnen.
Doch überschäumendes Selbstbewusstsein war längst nicht alles. Nicht nur, dass der Mann jeden Arbeitsschritt in seiner Wertschöpfungskette auf den Prüfstand stellte, genau durchdachte und im Bedarfsfall völlig neu ausrichtete. Er identifizierte auch sehr genau die „Trigger Points”, die sein storytelling erfolgreich machen sollten. Er erzählte die Geschichte zu seinem Wein und brachte es so sehr schnell dahin, um in einer der seinerzeit meistgelesenen Weinkolumnen Deutschlands erwähnt zu werden. Rasch darauf konnte er sich vor der steigenden Nachfrage nach seinen Weinen kaum
„Der Design Hack, der das Weinregal im KaDeWe zu einer Goldmine machte”
Aber für das angestrebte Wachstum musste er auch die Aufmerksamkeit derjenigen, die seine Storys (noch) nicht kannten, wecken. Dies gelang ihm über eine einfache aber auch geniale Idee. Überarbeitung des Designs seiner Produkte: der Weinflaschen. Die Flasche als Werbeträger: In der Tradition verhaftete Betriebe wären damals möglicherweise überhaupt nicht auf die Idee gekommen, ihre Etiketten oder Kapseln einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Was der quereinsteigende Weinbauer im mit dem Familienweingut übernommenen Produktdesign sah, gefiel ihm jedenfalls überhaupt nicht. Sein nächstes Ziel musste ein unverwechselbarer Markenauftritt sein. Mit dieser Aufgabenstellung wandte er sich an eine aufstrebende Designagentur. Und er hatte Glück! Die Designer waren so tiefgreifend NICHT nostalgisch, dass sie frei vom kleinsten Verdacht traditionell sein zu wollen, das NEUE, das ganz ANDERE, das UNVERWECHSELBAR INDIVIDUELLE schufen.
Die Designer fragten sich:
- Welche visuellen Elemente finden wir im Traditionellen vor?
- Wie tickt das Unternehmen?
- Was ist relevant?
- Welche Geschichte erzählen wir, um die Marke zu entwickeln?
Ihre Antworten waren klar verständlich und zielführend:
- Tradition und Innovation verknüpfen
- Den Weinbauern und seinen Stil in der Marke widerspiegeln
- Die Geschichte erzählen
- Sich vom Markt abheben
Dieser Entwicklungsprozess verlief nicht ohne Diskussionen, nicht ohne kreativen Streit zwischen Winzer und Designagentur.
Das Ergebnis zeichnete sich durch eine radikale Vereinfachung der Bildsprache aus. Keine Schnörkel, keine Troddeln! Und doch, so erinnerte sich der Weinbauer, „das Innovative fraß nicht das Traditionelle”, sondern griff es auf und zeigte es in unerwartet neuem Licht.
Das auffälligste äußere Merkmal dieses Gestaltungsprozesses war: die Weine waren jetzt bunt geworden! Um genau zu sein, nicht die Weine selbst, sondern die Kapseln der Flaschen waren bunt geworden. Die Designer hatten Kernelemente des traditionellen Produktdesigns dieses Weinguts bewahrt und doch gestalterisch an die neue Zeit und ihre Anforderungen herangeführt. Und sie hatten jeder einzelnen Lage, jedem einzelnen Wein hell leuchtende, knallbunte Kapseln und auch gleichfarbige Elemente auf den Etiketten zugewiesen. Weingut, Lage und Wein waren im Bruchteil einer Sekunde für jeden sofort erkennbar. Das ist der Jackpot in Sachen Markenauftritt!
Nirgendwo anders ließ sich dieser mutige gestalterische Geniestreich besser erkennen als in der altehrwürdigen Weinabteilung des altehrwürdigen KaDeWe in Berlin, des KAUFHAUS’ DES WESTENS. Ein äußerst dezent beleuchteter (um nicht zu sagen dunkler) Raum mit Hunderten oder gar Tausenden Weinflaschen, alle mit Kapseln, die noch dunkler und dezenter waren als der Raum selbst … alles in allem: unüberschaubar. Ein Horror für jeden Kunden.
Doch da waren jetzt diese Flaschen unseres Weinbau-Quereinsteigers. Es brauchte nur Sekunden nach dem Betreten der KaDeWe-Weinabteilung, um das Regal mit dessen Weinen zu erkennen. Quer durch den dunklen, beinahe farblosen Raum leuchteten die quietschbunten Kapseln hell und klar.
Auf einen Blick erkannte der in der überwältigenden Fülle des Angebots hilflose Kunde schon aus großer Distanz quer durch den Raum: Weingut (und damit auch das Weinanbaugebiet), Lage und sogar den konkreten Wein.
Wenn das nicht ein Beispiel für Individualisierung im Weinmarketing ist, dann weiß ich’s auch nicht!
Das Traditionelle aufnehmen und unbelastet von Gewohnheiten neu denken. Bewahren und Weiterentwickeln.
Der kleine Haken an dieser Geschichte
Man stelle sich vor, dass seinerzeit viele Weinbaubetriebe dem Vorbild unseres Beispielwinzers gefolgt wären. Dann hätte die Weinabteilung im KaDeWe zwar schön bunt ausgesehen, das Problem bestünde jetzt wieder … jedoch auf eine neue Art. Zwar würde dort wieder niemand die Weine seines bevorzugten Weinguts finden, aber immerhin wäre diese Erkenntnis nicht mehr ganz so trist.
Individualisierung funktioniert eben nur dann, wenn man nicht das tut, was alle anderen tun. Sie funktioniert aber auch dann nicht, wenn alle anderen das tun, was der eine Vorkämpfer des Individuellen tut. Ein Dilemma!
Können wir aus dieser alten Geschichte etwas für heute lernen? Und wenn ja, was?
Die Strategie „Tradition und Innovation” zur Steigerung der Markenbekanntheit, des Absatzvolumens und damit des Wohlstands des Betriebes, ist auch heute noch richtig, um eine Marke herauszuheben. Dabei muss Altes nicht schlecht sein.
Es sind damals wie heute die Details, die das Wiedererkennen der Marke, die den Kaufreiz, die Erinnerung an das Produkt stärken.
Heute sind die Möglichkeiten dafür viel besser als vor 25 Jahren. Jedoch die Herausforderungen durch Online Handel und social media sind mehr und andere geworden. Das vorhandene corporate design muss dafür nicht umgeworfen werden. Wenn man Innovation will, dabei aber die Tradition nicht vernachlässigen mag, dann steckt der Schlüssel zur Individualisierung im Detail. Stehlen Sie diesen Branding Coup, bevor es Ihre Konkurrenten tun!
Auch wenn’s wehtut, wir müssen jetzt leider ans Eingemachte gehen:
Warum 99% der Weinbaubetriebe unsichtbar bleiben, während 1% die Wahrnehmung aller anderen überstrahlen: Für social media Marketing gilt heute das, was vor 25 Jahren in der Weinabteilung des KaDeWe besichtigt werden konnte: „Wenn du machst, was alle machen, dann nimmt dich keiner wahr. Dann schickst du deine Kunden auf eine mühevolle Suche, bei der am Ende womöglich dein Konkurrent gefunden werden wird. Du fragst warum? Weil du sowas von verwechselbar bist!”
Klar, sowas möchte niemand gerne hören. Aber es ist die bittere Wahrheit. Man gibt sich doch so viel Mühe mit der Pflege seiner social media-Kanäle!
Marketingberater nennen diese Flut Konversion. Das ist aber eine Konversion, die leider nichts einzahlt. Die kann man vergessen. Es sei denn, man betrachtet seine social media-Kanäle als Quatschbuden. Dann: weiter so! Weiter mit: Flaschenfotos zu unterschiedlichen Tageszeiten, in unterschiedlichen Beleuchtungssituationen auf dem Tisch, im Fasskeller, im Stroh und am Rebstock fotografiert, Fotos von nur für Experten identifizierbaren Weinbergslagen, gerne auch mit einem sympathisch-knuddeligen Hund zwischen den Rebzeilen, breit und meistens etwas unbeholfen lächelnde Weinbauern und ihre weitverzweigte Verwandtschaft, Oma, Opa, Kinder und Kindeskinder, gerne auch im Panavision-Breitformat seitenfüllend auf dem Titelfoto der Webseite. Und am allerbesten noch: angeheiterte Gäste, einander zuprostend auf Hoffesten im Gegenlicht der Abendsonne …
Originell wäre das, wenn Sie die einzigen wären. Erkennbar werden Sie damit nämlich höchstens für diejenigen Kunden, die Sie längst gut kennen, die Ihre Gesichter unter den Millionen anderen Gesichtern Ihrer Mitbewerber identifizieren können und die schon eine Bindung zu Ihrem Betrieb haben. Doch diese Bilder verkaufen nicht eine Flasche mehr aus dem Lager. Wer mit dieser Methode an Erfolg glaubt, glaubt vermutlich auch an Voodoo.
Wer denkt, dass Likes, Follows und FB-Freunde den Umsatz durch die Decke schießen lassen, irrt sehr wahrscheinlich. Einer der großen Marketing-Experten unserer Zeit, Seth Godin (externer Link auf youtube), fasste das erst jüngst nüchtern und klar zusammen:
„Likes” bedeuten nicht, dass Sie irgendjemand mag.
„Freunde” bedeutet nicht, dass das Ihre Freunde sind.
Und „Followers” bedeutet nicht, dass sie Ihnen folgen.
Niemand kauft einen Porsche, weil der Werbespot zeigt, wie die Mechaniker Hydrauliköl in die Servolenkung einfüllen.
Denn die Kundschaft, die Sie für das Wachstum Ihres Betriebes erreichen müssen, erreichen Sie mit den social media Kanälen in aller Regel nicht (Stichwort: millionenfache Verwechselbarkeit der Medieninhalte in social media).
Um das zu verdeutlichen, noch einmal anders, deutlicher formuliert: Niemand kauft einen Porsche, weil der Werbespot zeigt, wie die Mechaniker Hydrauliköl in die Servolenkung einfüllen.
Was auf den unzähligen ewig gleichen Webseiten von Weinbaubetrieben am allermeisten fehlt, ist der visuelle Anker (genau genommen sind es sogar zwei Anker!: der primäre visuelle Anker der Wiedererkennbarkeit und der sekundäre Anker: charakteristische Formensprache, also Stil der Fotografie, Typografie, Farbschema des Feeds), ist dieses eine alles zusammenfassende und zusammenhaltende, im Handumdrehen erkennbare Merkmal, dass jedem nach der ersten Begegnung für alle Zukunft den Namen Ihres Betriebes und Ihre Weine ins Gedächtnis ruft. Dann gelingt auch Ihnen der KaDeWeMoment im Zeitalter von social media.
Und das beste daran ist: Sie müssen dafür nicht Ihr sorgfältig entwickelndes Corporate Design über Bord werfen. Es reicht schon das wirkungsvolle Detail in Ihrem bisherigen Markenauftritt zu identifizieren und für die Sehgewohnheiten des 21. Jahrhunderts aufzubereiten. Auch Ihr Betrieb hat diese Designelemente schon, visuelle Wiedererkennungsmarken, die nur noch herausgehoben und zeitgemäß aufgearbeitet werden müssen. Es ist noch nicht zu spät, dass auch Sie für Ihren Betrieb Ihren KaDeWe-Moment im Zeitalter von social-media-Marketing möglich machen.
Wir haben da auch schon eine Idee. Lassen Sie’s uns angehen!